Daria - Von verlorenen Wurzeln
Über Daria:
- ist aus Kiew in der Ukraine nach Marburg gekommen
- arbeitet für TERRA TECH
- lernt jetzt Deutsch
Wie alles begann - 2014: Krim und Ost-Ukraine
Wenn wir an die Ukraine und Russland denken, denken wir oft an den 24.02.2022. Doch Daria sieht den Beginn der Situation schon viel früher: “Es gab diesen Krieg im östlichen Teil der Ukraine, die Krim wurde eingenommen. Es war brutal und der Beginn von allem, das später passierte.”
Trotzdem hatte sie eher mit einem Putsch gerechnet als mit Bomben und Panzern: “Wir konnten kaum glauben, dass der Krieg die Form einer altertümlichen, gewalttätigen Invasion mit Besetzungen haben würde.“
Die ersten Bomben am Morgen des 24.02.2022
Daria steckte mitten im Alltag: Sie kam von einem Treffen nach Hause, besprach noch, wann das Auto betankt werden sollte, dann legte sie sich schlafen. “Es war fünf Uhr, ich schlief auf dem Balkon meines Apartments. Ich wachte von Explosionen auf, weil mein Haus nicht weit vom Flughafen in Kiew weg war“, erzählt Daria. Schwarzer Rauch war zu sehen, Daria verstand nicht, was los war, und telefonierte herum, um mehr zu erfahren. Von da an gab es keinen Alltag mehr.
Die ersten Tage - ein Leben im Bunker
Von da an lebte Daria hauptsächlich im Bunker. Es gab kaum Lebensmittel. Sie musste sich an die Angst gewöhnen und daran, ständig vorplanen zu müssen. “Ich bin für ein paar Stunden nach Hause gerannt, um etwas zu kochen und um zu duschen.” Doch wenn sie daheim war, hatte sie Angst, das Haus könnte bombadiert werden.
Die Flucht - erst Westukraine, dann Marburg
Nach vielem hin- und herüberlegen entschloss sich Daria, mit ihrer Familie zu fliehen. Allerdings nicht aus Angs: “Der Grund für mich, die Ukraine zu verlassen, war, dass dort nichts getan wurde. Ich fühlte mich so nutzlos. Also versuchte ich, etwas zu finden.”
Sie wollte aktiv werden. Also ging sie erst in die Westukraine, dann verließ sie die Ukraine ganz. “Als ich die Grenze überquerte, verstand ich das erste Mal: Ich weiß nicht, ob ich jemals zurückkommen werde, ob das Land noch existieren wird.”
Hilfe auf dem Weg und am Ziel
Nach der Grenze erhielt Daria Essen, Beratungen und psychologische Hilfe. Freiwillige kamen, um Ukrainer_innen bei sich Zuhause eine Bleibe anzubieten. Das berührte Daria sehr: “Ich hatte nicht erwartet, dass Leute sich organisieren würden, um uns zu helfen.”
Schließlich nimmt sie ein Arbeitsangebot in Marburg an und beginnt sie für TERRA TECH zu arbeiten. Auch hier erfährt sie viel Unterstützung.
Mit dem Kopf woanders
Doch die Situation in der Ukraine ließ und lässt Daria noch immer nicht los. Sie besuchte die Ukraine nocheinmal. Dort schlief sie kaum: “Du gehst ins Bett, dann startet der Alarm, weil Raketen oder Drohnen kommen. Also wartest du nur, suchst Schutz und dann ist deine Nacht vorüber.” Noch immer liest sie jeden Morgen die Nachrichten und überprüft, welche Gebiete zerbombt wurden.
Verlorene Wurzeln
Daria fühlt sich zwischen Deutschland und der Ukraine zerrissen. In der Ukraine fürchtet sie Vorwürfe, weil sie das Land verlassen hat: “Du weißt nicht, ob du zurückkommen willst, weil du nicht weißt, wie du in deinem Land akzeptiert werden wirst.
Aber in Deutschland tut sie sich noch schwer: „Gleichzeitig weißt du nicht, ob du hier bleiben kannst, weil du nicht alles verstehst. Bist du hier willkommen und wertgeschätzt oder nicht?”
Wie es Daria jetzt geht
Daria fühlt sich zum Teil depressiv, ihr psychischer Zustand ist schlecht. Sie versucht, keine Pläne mehr zu machen, denn sie könnten wieder zerstört werden. Sie will nur im Hier und Jetzt leben. Dazu kommt, dass sie hier noch nicht völlig angekommen ist: “Die ganze Zeit habe ich Angst, etwas falsch zu machen, weil ich das System nicht verstehe.”
Ein vorsichtiger Blick nach vorne
Auch wenn Daria keine Pläne machen möchte, hat sie doch Wünsche für die Zukunft: „Das Beste wäre, wenn die Ukraine sich nach dem Krieg erholt und ein Teil der EU wird.“
Auch für sich selbst hat Daria Ideen, wie die Zukunft aussehen könnte: Sie würde gerne online arbeiten, von hier nach da ziehen, Menschen verschiedener Ländern treffen und Partnerschaften knüpfen. “Wir werden wie normale, freie Menschen leben“, hofft sie.
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